Das Strommarktdesign gilt als Grundlage der Energieversorgung – Versorgungssicherheit, Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit sind die drei zentralen Säulen der Energiewirtschaft. Nachdem das Bundeswirtschaftsministerium im Oktober 2014 mit dem Grünbuch eine ganz grundsätzliche Diskussion zum deutschen Strommarkt forderte, wurden über 700 Anregungen von Institutionen, Unternehmen und Bürgern gesichtet und im Weißbuch zum Strommarktdesign ausgewertet. Die Konsultation dieses Werkes wurde nun durch den veröffentlichten Referentenentwurf zum Strommarktgesetz beendet und eine letzte Anhörung der Länder und etablierten Verbände bis zum 29.09.2015 eingeleitet.

Im Weißbuch wurde bereits angekündigt, dass das neue Strommarktdesign keinen zusätzlichen Kapazitätsmarkt mit ausschließlicher Vergütung von Kapazitäten vorsieht. Stattdessen erfolgt eine Weiterentwicklung zum Strommarkt 2.0, in welchem sich Strompreise frei am Markt bilden und Stromversorger ihren Lieferverpflichtungen im Terminmarkt und Reserven ohne staatliche Eingriffe in Marktmechanismen nachkommen. Allerdings wird eine Kapazitätsreserve eingeführt, in welcher sich Kraftwerke außerhalb des eigentlichen Strommarktes bereit halten (Vorhaltefunktion) und nur bei Bedarf eingesetzt werden (Einsatzfunktion).

Der Strommarkt soll durch stärkere interne Mechanismen die genannten Kapazitäten und eine gewohnt hohe Versorgungssicherheit aus sich selbst heraus finanzieren. Dazu gehört, dass ein hohes Augenmerk auf Kosteneffizienz und Nachhaltigkeit gesetzt wird. Ein umfassendes Monitoring soll den Markt darüber hinaus stabilisieren und absichern. Grundsätzlich bauen die Maßnahmen auf dem Eckpunktepapier der Bundesregierung zur erfolgreichen Energiewende auf, über welches hier bereits berichtet wurde.

Der nun ersichtliche Referentenentwurf des Gesetzes zur Weiterentwicklung des Strommarktes (Strommarktgesetz) teilt sich in die zentralen Bereiche Problem und Ziel, Lösung, Alternativen und Ausgaben, sowie die inhaltlichen Auswirkungen auf bestehende Gesetze und abschließend eine sehr ausführliche fast hundertseitige Begründung der einzelnen Aspekte.

A. Problem und Ziel: Die Erzeugung durch Kernenergie endet in Deutschland im Jahr 2022. Währenddessen wächst der europäische Strombinnenmarkt weiter zusammen. Eine beispielhaft hohe Versorgungssicherheit muss durch ständige Synchronisierung von Einspeisung und Entnahme gewährleistet werden. Hier greifen die bereits erwähnte Vorhaltefunktion von Kapazitäten um Angebot und Nachfrage ausgleichen zu können und die Einsatzfunktion von Preissignalen um diese Kapazitäten zum richtigen Zeitpunkt im erforderlichen Umfang einzusetzen. Dazu stößt aber noch die Flexibilitätsoption: durch einen kosteneffizienten, flexiblen und umweltverträglichen Einsatz können die Preissignale konsequent an den Endverbraucher weitergegeben werden. Hierzu muss der Strommarkt aber grundlegend reformiert werden, wie auch in der gemeinsamen Energieministererklärung zur Stromversorgungssicherheit im europäischen Binnenmarkt festgestellt wurde. Die Treibhausgasemissionen sollen sich in Deutschland von 1990 bis 2020 um 40% verringert haben. Im Aktionsprogramm Klimaschutz 2020 wird von einer Emissionsminderung von 22 Millionen Tonnen CO2 allein im Stromsektor und Zertifikatehandel gesprochen. Hierzu werden Braunkohlekraftwerke schrittweise aus dem Strommarkt für voraussichtlich vier Jahre in die Kapazitätsreserve überführt und anschließend stillgelegt.

B. Lösung: Das Strommarktgesetz soll Rahmenbedingungen schaffen um die Stromversorgung volkswirtschaftlich kosteneffizient und umweltverträglich weiterzuentwickeln sowie die Versorgungssicherheit bei der gegebenen Versorgungstransformation zu gewährleisten. Der Kern der Mechanismen ist das Preissignal. Die benötigten Kapazitäten refinanzieren sich über den Strompreis, welcher sich frei wettbewerblich mit zugelassenen Preisspitzen am Markt bilden kann. Die Bilanzkreisbewirtschaftung und das Ausgleichsenergiesystem werden als zentrale Instrumente weiterentwickelt – die Bilanzkreisverantwortlichen werden noch stärker angehalten ihre Bilanzkreise in jeder Viertelstunde ausgeglichen zu halten. Darüber hinaus werden Eintrittsbarrieren für Anbieter von Lastmanagementmaßnahmen und Erneuerbaren Erzeugern im Regelleistungsmarkt abgebaut. Die infrastrukturell essentiellen Ladestationen für Elektromobile sollen energierechtlich eingeordnet werden um Rechts- und Investitionssicherheit zu gewährleisten. Eine effizientere Netzplanung und erhöhte Datentransparenz sollen Kosten mindestens mittelfristig einsparen: verfügbare aktuelle Strommarktdaten fördern Erzeugungs-, Verbrauchs- und Handelsentscheidungen, sodass hierfür eine nationale Informationsplattform und ein zentrales Marktdatenregister eingerichtet werden. Neben der Kapazitätsreserve werden auch die Regelungen der Netzreserve über 2017 hinaus verlängert und die Kostenerstattung der stillzulegenden aber systemrelevanten Kraftwerke angepassst. Der Monitoringbericht der Bundesnetzagentur und des Bundeskartellamts soll mindestens alle zwei Jahre veröffentlicht werden und Deutschland auch im europäischen Binnenmarktkontext betrachten.

Unter C. Alternativen wird darauf hingewiesen, dass sowohl ein zentraler, als auch dezentraler Kapazitätsmarkt nicht gleichermaßen kosteneffizient funktionieren würde. Der Strommarkt 2.0 bietet geringere Kosten und Kostenrisiken, während im Kapazitätsmarkt voraussichtlich eine Überkapazität, hohe Komplexität und Gefahr von Regulierungsversagen vorherrschen würden.

Im Kapitel D. Haushaltsausgaben ohne Erfüllungsaufwand findet sich die Prognose, dass die Bereithaltung der Kapazitätsreserve jährlich voraussichtlich zwischen 100 und 220 Mio. Euro kosten wird. Die Netzreserve wird im Winterhalbjahr 2015/2016 ca. 122 Mio. Euro Belastung mit sich bringen. Zu beachten ist auch, dass die daraus resultierende Höhe der Netzentgelte natürlich bis an den Endkunden – egal ob öffentliche Haushalte oder BürgerInnen (siehe Teil E.1) – durchgereicht wird. Unter E.2 wird der Erfüllungsaufwand für die Wirtschaft besprochen. Während die detaillierte Berechnung zum Veröffentlichungszeitpunkt dieses Artikels noch nicht erfolgt ist, kann zumindest bereits prognostiziert werden, dass die erhöhte Markttransparenz mittelfristig den Aufwand und damit Transaktions- und Informationsbeschaffungskosten der Marktakteure senken wird. Man erwartet ab 2017 eine Bürokratieentlastung durch das zentrale Marktstammdatenregister, welches neben dem Wegfallen diverser Informations- und Meldepflichten auch das bestehende EEG-Anlagenregister ersetzt. Teil E.3 zeigt, dass durch den erhöhten Arbeitsaufwand sowohl beim Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, als auch bei der Bundesnetzagentur neue Stellen geschaffen werden müssen. Weitere Kosten (siehe F.) werden noch geprüft und gegebenenfalls nachgetragen.

Nach den beschriebenen Zusammenfassungen finden sich im Referentenentwurf die inhaltlichen Auswirkungen auf bestehende Gesetzestexte inklusive des Energiewirtschaftsgesetzes, Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen, Stromnetzentgeltverordnung, Stromnetzzugangsverordnung, Systemstabilitätsverordnung, Reservekraftwerksverordnung, Biomassestrom-Nachhaltigkeitsverordnung, Erneuerbare-Energien-Gesetz, Stromsteuergesetz, Anlagenregisterverordnung und Gesetz zur Neuregelung energiewirtschaftsrechtlicher Vorschriften zum 1. Januar 2016. Der Referentenentwurf schließt mit einer ausführlichen Begründung der einzelnen Aspekte.

Fazit: Der vorliegende Referentenentwurf zum Strommarktgesetz ist eine konsequente Fortsetzung der im Weißbuch eingeschlagenen Richtungsweisung zum Strommarkt 2.0. Die Maßnahmen sind nachvollziehbar und erscheinen zukunftsfähig. Die interessante Alternatividee des Hybridstrommarkts wurde zwar beim Bundestag als Online-Petition eingereicht, hat in der Frist aber nur 193 von erforderlichen 50.000 Unterschriften erreicht – und wird damit wohl weiterhin ignoriert werden. Dennoch bin ich auf die geforderten Stellungnahmen der Länder und Verbände gespannt. Während der Branchenverband BDEW eine gespaltene Stellungnahme veröffentlichte, äußert sich die Deutsche Energieagentur DENA positiv. Einigen Nachholbedarf sehen zum Beispiel die BBH-Juristen bei derenergieblog.de, welche eine sehr gute Auswertung zum Referentenentwurf online gestellt haben.

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