Das deutsche Stromnetz ist etwa 1,85 Millionen Kilometer lang. Das entspricht fast der fünffachen Entfernung des Mondes von der Erde. Der mit Abstand größte Anteil des Stromnetz ist die sogenannte Niederspannung – diese Kabel liegen direkt an unseren Häusern, verbinden kleine Erzeugungsanlagen mit normalen Verbrauchern und ziehen sich unterirdisch quer durch unsere Städte.

Der Zustand des Stromnetzes muss ständig neu überwacht und eingeschätzt werden. Welche Leitungen müssen gewartet werden, wo bieten sich Erweiterungen an und welcher Neubau ist tatsächlich notwendig?

Für den Netzausbau wird in Deutschland ein aufwändiger Prozess mit fünf großen Schritten angewendet:

  1. Ermittlung des Szenariorahmens
  2. Erarbeitung der Netzentwicklungspläne
  3. Rechtlicher Beschluss im Bundesbedarfsplan
  4. Eingrenzung in der Bundesfachplanung/Raumordnung
  5. Finalisierung in der Planfeststellung

Dieser Ablauf wird durch die vier großen Übertragungsnetzbetreiber 50Hertz, Amprion, Tennet und TransnetBW und die Bundesnetzagentur organisiert. An vielen Stellen wird die Beteiligung der Öffentlichkeit ermöglicht – so auch beim Szenariorahmen. Zur Veröffentlichung dieses Beitrags läuft gerade die Konsultation eben dieses Szenariorahmens für den Zeitraum bis 2035. Was steckt dahinter?

Der Szenariorahmen beschreibt die Entwicklung des gesamten Energiesystems

Um die Erweiterung oder den Ausbau des Stromnetzes gut einschätzen zu können, muss man die bevorstehenden Entwicklungen im gesamten Energiesystem voraussagen. Dafür erarbeiten die Übertragungsnetzbetreiber gemeinsam mit Branchenverbänden, Wissenschaftlern und weiteren Experten die Entwürfe des Szenariorahmens. Dieser muss in jedem geraden Jahr für die jeweils nächsten 10-15 Jahre veröffentlicht werden und die bevorstehenden Entwicklungen beinhalten.

Die Entwicklungen werden in drei parallelen Szenarien zusammengefasst: eine eher konservative Entwicklung des Energiesystems, eine moderate Weiterentwicklung und eine sehr starke Transformation mit voranschreitender Energiewende. Diese Szenarien beinhalten den eigentlichen Strombedarf, die Sektorenkopplung (strombetriebene Wärmeversorgung & Elektromobilität), der Stromfluss im bestehenden Netz, Speicher, Großverbraucher, CO2-Emissionsziele, energiepolitische Vorgaben, neue Anwendungsbereiche sowie viele weitere Faktoren. Ein viertes Langfristszenario beschreibt noch weitere erwartete Entwicklungen der nächsten 20 Jahre. So soll ein möglichst genaues Bild der bevorstehenden Änderungen der Energiewelt gezeichnet werden.

Der Szenariorahmen 2021 bis 2035

Der aktuelle Entwurf konzentriert sich nun auf die voraussichtlichen Entwicklungen der Jahre 2021 bis 2035. Die Szenarien unterscheiden sich nach Netzorientierung (Rücksicht des Gesamtsystems auf die Belange des Stromnetzes) und voranschreitender Sektorkopplung. Ein Beispiel zur Unterscheidung der drei Szenarien kann man bei der Elektromobilität ablesen: im Szenario A wird eher an öffentlichen Schnellladesäulen aufgetankt, während im Szenario C eher „smart“ am Arbeitsplatz bzw. zu Hause aufgeladen wird.

Ein weiteres Beispiel ist der Kraftwerkspark: im Szenario A gibt es 2035 noch eine kleine Anzahl von Stein- und Braunkohlekraftwerken, während es im Szenario B und C schon gar keine derartigen Kraftwerke mehr – aber dafür mehr Gaskraftwerke – gibt.

Vom Januar bis 14. Februar 2020 läuft die öffentliche Konsultationsphase des aktuellen Szenariorahmens. So kann sich jeder mit einer Stellungnahme zum veröffentlichten Szenariorahmen äußern und seine eigenen Anmerkungen, Kritiken und Ideen einbringen. Die Bundesnetzagentur prüft diese Einsendungen (die werden wirklich gelesen!) und arbeitet sie womöglich in die Endfassung des Szenariorahmens ein. Dieser ist dann die Grundlage für den nachfolgenden Netzentwicklungsplan.

Den Szenariorahmen 2021-2035 findet man auf netzausbau.de

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