Warum der Kohleausstieg bis 2030 klappt.

Kann Deutschland schneller als geplant auf Kernkraft und Kohlestrom verzichten?

Wir haben uns festgelegt — wir wollen bis Ende 2022 alle Kernkraftwerke in Deutschland abschalten. Und bis spätestens 2038 müssen auch alle Kohlekraftwerke vom Netz gehen. Das klingt nach einer unglaublichen Herausforderung und wird in politischen Diskussionen oft auch genau so dargestellt.

Gleichzeitig hat die Energiewirtschaft schon längst die Zeichen der Zeit erkannt und versucht diese Transformation noch schneller umzusetzen. Über einen Mix aus erneuerbaren Stromerzeugern, Speicheranlagen und flexiblen Verbrauchsanlagen kann ein komplett nachhaltiges Energiesystem realisiert werden. Was die Energiewende ausmacht, haben wir auf diesem Blog auch schon ein paar Mal besprochen.

Kernkraft endet 2022

Welchen Faktor spielen dabei die Atomkraftwerke? Deutschland gehört zu den Ländern, die einen deutlich stärkeren Fokus auf einen Atomausstieg gelegt haben. Während beispielsweise Frankreich und Großbritannien noch eine ganze Weile auf Kernkraft setzen, werden wir in anderthalb Jahren die letzten sechs Kraftwerke abgeschaltet haben. Ende 2021 sind Brokdorf, Grohnde und Grundremmingen C dran. Im Jahr darauf Emsland, Neckarwestheim 2 und Isar 2. Da der Atomstrom rechnerisch nur etwas mehr als 10 % der deutschen Stromerzeugung ausmacht, scheint das auch bewältigbar.

Ein früher Kohleausstieg kann belohnt werden

Sobald die Atomkraftwerke vom Netz sind, werden sicherlich ein paar Kohlemeiler in höherer Auslastung Strom produzieren. Wir bauen schlicht und einfach zu wenig erneuerbare Energieanlagen pro Jahr auf und müssen daher noch ein bisschen auf fossile Kraftwerke setzen.

Trotzdem haben große fossile Kraftwerke ein ganz zentrales Problem: in Ihnen wird Strom produziert, indem man fossile Brennstoffe in einer riesigen Brennkammer verfeuert — und so ein Feuer ist nicht besonders flexibel. Diese großen Kraftwerke können also nicht auf schwankende Preise am Energiemarkt reagieren — wenn die Brennkammer einmal läuft, dann wird eben Strom produziert. Sollte in dem Moment der Strompreis deutlich fallen, verliert das Kraftwerk Geld.

Kohlekraftwerk Boxberg (Bild ist public domain)

Und so versuchen die fossilen Kraftwerksbetreiber irgendwie noch einen halbwegs lukrativen Weg in die Zukunft zu finden. Beispielsweise über die Kohleausstiegs-Ausschreibungen.

Seit September 2020 veranstaltet die Bundesnetzagentur regelmäßig Auktionen rund um den Kohleausstieg. Im Großen und Ganzen: ein Kohlekraftwerksbetreiber kann seinen frühzeitigen Ausstieg zu einem bestimmten Preis anbieten. Und wenn er den Zuschlag bekommt, schaltet er sein Kraftwerk eben noch früher als ursprünglich geplant ab — und bekommt dafür noch eine entsprechende Vergütung.

Wenn man nun auf die Ergebnisse dieser Ausschreibungen schaut, finden sich interessante Zuschläge. Am 01.09.2020 haben u. a. folgende Kraftwerksbetreiber gewonnen:

  • STEAG
  • RWE
  • Vattenfall
  • Uniper

Das sind nicht ganz zufällig ein paar der größten Kohlekraftwerksbetreiber überhaupt. Gerade Vattenfall hatte hier auch noch ein vergleichsweise junges und modernes fossiles Kraftwerk angeboten.

Bei der nächsten Ausschreibung vom 04.01.2021 gehörten diese zu den Gewinnern:

  • Uniper
  • MIBRAG

Schon wieder ein paar der größten Betreiber. Man scheint es eilig zu haben, aus der Kohleverstromung auszusteigen. Wer übrigens die Zuschlagslisten mit dem Alter der jeweiligen Kraftwerke abgleichen will, findet bei der Bundesnetzagentur eine Altersreihung, die bis 1936 zurückgeht.

Wie kommen Politik und Energiewirtschaft zusammen?

Mit dem nun verschärften Klimaschutzgesetz und den sowieso geltenden Klimaschutzzielen ist klar: ein Kohleausstieg bis 2038 wird nicht reichen, um die Nachhaltigkeitsziele in Deutschland erfolgreich umzusetzen. Hier müssen wir schlicht und einfach schneller werden. Weniger Treibhausgase bei der Strom- und Wärmeproduktion verursachen und mehr auf nachhaltige erneuerbare Energien setzen.

Die ständig schwankenden Preise im Stromhandel sorgen zudem für Verluste bei Großkraftwerken. Und da sind die ständig steigenden Kosten für CO2-Emissionen noch gar nicht mit eingerechnet. Und so versuchen viele Unternehmen einen günstigen Weg aus dem fossilen Kraftwerksbetrieb zu finden — wie zum Beispiel die oben beschriebenen Auktionen der Bundesnetzagentur.

Gleichzeitig bauen mehr und mehr ehemals fossile Kraftwerksbetreiber und Energieversorger nun eigene Solar- und Windparks. Beziehungsweise kaufen sich bereitwillig in erneuerbare Projekte ein und schmücken sich mit einem nun grünen, nachhaltigen Ökostrom-Image.

Die Energiewende ist in Fahrt, der Atomausstieg fast geschafft und der Kohleausstieg scheint sich auch zu beschleunigen. In den nächsten Wochen gibt es die Ergebnisse der dritten Ausstiegs-Auktion und vermutlich werden wieder einige der ganz großen Kohlekraftwerke teilgenommen haben.

Wir befinden uns gerade mitten im Umbruch der gesamten Energiewirtschaft. Mit jedem Tag werden die erneuerbaren Stromanlagen lukrativer und die fossilen Kraftwerke verbrennen mehr und mehr Geld. Und so löst sich die Frage des Kohleausstiegs bis 2030: die Wirtschaft wird gar nicht auf politische Entscheidungen und neue Gesetze warten, sondern wird auch ganz allein den Weg in eine nachhaltige Zukunft suchen.

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